Predigt | Sonntag, 26 Juli 2020 | 1Kön 3, 5.7–12; Röm 8, 28–30; Mt 13, 44–52
1. Es kommt oft vor, dass man ein Angebot hat und frei sagen kann, was man will. Aber oft ist es auch schwer zu sagen, was man will. Dann denkt man einen Moment darüber nach und sagt „Egal“ als Antwort. Dann gibt es auch jemanden, der eine Antwort wie „egal“ nicht mag. Er fragt stattdessen: Was ist eigentlich egal? Ich verstehe es nicht und es gibt kein egal. Oder wie können wir reagieren, wenn Gott sagt: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll!
„Egal“ als Antwort finden wir in der Geschichte Salomos nicht. Nachdem er an die Macht gekommen war, pilgerte Salomo nach Gibeon und betete für das, was er als König am meisten brauchte: Er braucht unbedingt eine Weisheit, die ihm bei allen Regierungsmaßnahmen hilft. Das große Anliegen Salomos ist: ein „hörendes Herz“ zu haben. Warum ist ein hörendes Herz so wichtig?
2. Das hörende Herz hängt zusammen mit dem Namen Salomo und mit seiner Berufung. Der Name „Solomon“ stammt von einem hebräischen Wort, das zwei verschiedene Bedeutungen hat: 1. Der Name kommt vom Wurzelstamm שלם šlm, von dem das Wort שָׁלוֹם šālôm, „Frieden“ abgeleitet ist. 2. Der Name bedeutet auch, einen Ersatz zu leisten. Dann gibt es noch den Alternativnamen für Salomo, und zwar „Jedidja“ d.h. Geliebter oder Freund Jahwehs.
3. Diese wichtigen Bedeutungen des Namens Salomos beziehen sich auf Gottes Initiative, die sich in der Traumoffenbarung zeigt. Gottes Initiative bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Gott nicht nur Salomos Bitte hörte, sondern auch Salomos Herz kannte, lange bevor Salomo um ein hörendes Herz gebeten hat. Salomos Weisheit ist untrennbar mit der Ehrlichkeit und Offenheit seines Herzens vor Gott verbunden. Die Griechen nennen „Herz“, καρδιά „kardia“, was das Zentrum des Ausdrucks des Gefühlslebens bedeutet. Das Herz als Zentrum menschlichen Empfindens und Ursprung menschlichen Verhaltens wird im Alten Testament oft zum Ausdruck gebracht. Mit dem „hörenden Herzen“ scheint vor allem die jeweils richtige innere Eingebung gemeint zu sein, die das Walten Gottes voraussetzt und zur richtigen Entscheidung führt. Die Gottgefälligkeit dieser Bitte bestand in der Uneigennützigkeit. Salomo bekommt deshalb nicht nur die Erfüllung seiner Bitte in unvergleichlich reichem Maße, sondern darüber hinaus auch die Zusage wertvoller irdischer Segensgaben, nämlich Reichtum, Ansehen und ein langes Leben.
4. Die Sehnsucht, um ein hörendes Herz zu haben, steht sicherlich nicht nur im Kontext der Königsherrschaft Salomos, sondern muss auch die Sehnsucht aller sein. Wenn Menschen ein „hörendes Herz haben, kann man davon ausgehen, dass sie auch fähig sind, richtig zu únter-scheiden und die richtigen Ént-scheidungen zu treffen. Salomo hat um ein hörendes Herz gebeten, um so seiner Berufung folgen zu können. Jeder ist berufen, Gottes Plan zu verwirklichen. Der Apostel Paulus betont dies am Anfang seines Briefes ausdrücklich: „Wir wissen.“ Unser Leben befindet sich nicht nur in dem engen Raum zwischen Geburt und Tod. Dann ist es einfach, „egal“ zu sagen, weil wir am Ende mit leeren Händen zurückgehen müssen. Nein, wir sind berufen, Christus nachzufolgen und an seinem Leben teilzunehmen. Die Teilnahme an Gottes Plan erfordert sicherlich ein hörendes Herz. Eine Verantwortung ist unersetzbar, um Frieden zu stiften.
5. Darüber hinaus möchte Jesus durch das Gleichnis, das er vermittelt, bewirken, dass seine Jünger in der Lage sind, ihn wirklich zu verstehen. Deshalb fragt Jesus am Ende seines Gleichnisses die Jünger: Verstehst ihr das alles? Durch seine Fragen möchte Jesus vielleicht unterstreichen, was für das Verstehen am wichtigsten ist. Das wirkliche Verstehen geschieht mehr mit dem Herzen als mit dem Verstand. Verstehen kann auch ein Salom – Frieden sein. Wenn wir etwas oder jemanden gut verstanden haben, dann sind wir bzw. ist unser Herz sehr ruhig. Oder? Die Bedeutung des Verstehens liegt auch darin, dass man Ersatz leisten kann. Man kann also mit der zweiten Bedeutung des Namens Salomos eine Chance zur Erneuerung haben. Wenn wir etwas oder jemanden gut verstanden haben, dann sollen wir mehr Möglichkeiten finden, auch wenn es dann Schwierig-keiten geben sollte.
6. In der Corona-Krise haben wir u.a. darauf zu achten, dass keine großen Ansammlungen von Menschen entstehen, auch nicht in der Kirche. Aber wir haben auch andere Möglichkeiten. Denken wir z.B. an das Wort Jesu: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen (Mt18,20). Vielleicht können wir die jetzige Zeit dafür nutzen, intensiv und effektiv mit einander in der Familie oder in der Gemeinschaft zu einem vertrauensvollen Austausch, zu einem Gespräch oder sogar zu einem gemeinsamen Beten zu kommen, um eine innere Stille zu finden, also um ein hörendes Herz zu haben. Und wenn wir alles gut verstanden haben, dann können wir umso mehr an einen geliebten Gott glauben und auf ihn vertrauen.
7. Man darf auch nicht vergessen, was das Reich Gottes ist: „Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist“, so sagt Paulus im Römerbrief (Röm 14,17), und an die Korinther schreibt er: „Das Reich Gottes besteht nicht im Wort, sondern in der Kraft“ (1. Kor 4,20). In gleichem Sinn müssen wir zunächst an das Reich denken, wenn der Herr Seine Zuhörer auffordert: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit“, oder wenn von Paulus erzählt wird: „Er ging in die Synagoge und lehrte drei Monate lang freimütig, indem er sie unterredete und sie von den Dingen des Reiches Gottes überzeugte“ (Apg 19,8; vgl. Apg 20,25; 28,31).
8. Schließlich möchte ich nochmal deutlich machen: Das Herz muss ein Raum für das Wort Jesu haben, damit es in unserem Leben wachsen und Früchte tragen kann. Ein Herz, das das Wort Gottes hört, muss im Zeugnis des Lebens Früchte tragen. Paolo Dall´Oglio sagte: „Ohne den Duft des Zeugnisses haben alle Worte dasselbe Gewicht und denselben Geruch.“ Gott gebe uns ein hörendes Herz!
Ino Sigaze, O.Carm