Suara Keheningan Jonas Fuchs
Wenn Enttäuschung in unser Herz einzieht, sich einnistet, in uns heranwächst und sich mehrt, dann gebiert sie Bitterkeit.
Das weiß der Psalmist. Er ruft: „Ich Hielt umsonst mein Herz rein und wusch meine Hände in Unschuld – Und doch war ich alle Tage geplagt.“ Seine Worte triefen nur so vor Frust. „Mein Herz war verbittert“ stellt er fest. „Mir bohrte der Schmerz in den Nieren.“ Er hatte alles gegeben. Nach bestem Wissen und Gewissen für Gott gelebt – und wofür? Für Plage und Leid. Alle Mühe war umsonst. Danke für nichts, großer Gott. Für wirklich gar nichts.
Wenn Enttäuschung in unser Herz einzieht, sich einnistet, in uns heranwächst und sich mehrt, dann gebiert sie Bitterkeit. Am Mittwoch hatte ich ein Zoom-Gespräch, mit dem Pastor meiner Gemeinde, und unserem wichtigsten Ältesten. Ich hatte mich auf die Pastorenstelle nach meinem Studium im Sommer beworben. Die beide teilten mir mit, dass ich die Stelle nicht bekomme. Und das war enttäuschend. Denn es war für mich nicht irgend eine Stelle. Es war die Stelle. Alles hätte gepasst. Meine Frau hätte ihren Job, in dem sie sich grade eingearbeitet hatte, behalten können. Wir wären bei unseren Freunden geblieben, in einer Stadt die wir lieben lernten. Aber es ist uns wohl nicht vergönnt.
Die Gemeinde, in die ich seit fünf Jahren all meine Zeit, Kraft, Geduld und Liebe investierte. Und immer wenn ich eigentlich nicht mehr konnte, doch noch ein bisschen mehr gegeben habe. Noch eine Predigt gehalten habe obwohl ich keine Zeit hatte, noch ein Seelsorgegespräch geführt habe, obwohl ich eigentlich Feierabend hatte, noch mal eingesprungen bin, auch wenn ich eigentlich nicht verantwortlich war. Und als anderen Mitarbeiter der Gemeinde schon längst den Rücken zukehrten, erledigt ich meine Aufgaben doch gewissenhaft. Aber ich muss gehen.
Auch wenn man meine Situation sicher nicht mit des Erfahrungen des Autors gleichsetzen kann; vielleicht spürt mein Frust, meine Enttäuschung dem Beter des Psalms ein bisschen nach. Vielleicht spürte ich diese Woche einen Hauch der Verzweiflung, die der Psalmist vor tausenden von Jahren hier in diese Zeilen Presste. War jetzt die ganze Mühe umsonst? Ist Undank jetzt mein Lohn? Soll Schmerz mir in den Nieren bohren? Ehrlich, Gott?
Wenn Enttäuschung in unser Herz einzieht, sich einnistet, in uns heranwächst und sich mehrt, dann gebiert sie Bitterkeit.
Doch der Psalmist hat eine Entscheidung getroffen. Ihm ist klar: „Hätte ich gesagt: ,Ich will reden wie sie‘, dann hätte ich an deinen Kindern Verrat geübt. Da sann ich nach, um das zu begreifen“ Der Psalmisten hat seine Entscheidung getroffen. Seine Enttäuschung, seine Bitterkeit leitet ihn nicht zur Sünde. Sein Kompass ist immer noch intakt. Der Richtige Umgang mit seinen Gefühlen steht ihm klar vor Augen: Er macht seine Rechnung mit Gott. Davon bringt ihn kein Schmerz ab. „Es war eine Qual für mich“ schreibt es, „bis ich dann eintrat ins Heiligtum Gottes.“ Das ist der Wendepunkt. Die Gegenwart Gottes macht harte Herzen weich. Verbindet unsere verwundenen Seelen. Versüßt unsere Bitterkeit. Lehrt uns Vertrauen, Weisheit, Weitsicht. Eröffnet uns perspektiven, führt uns über uns selbst hinaus.
Meine Gemeinde hat an meiner Stelle zwei der fähigsten Pastoren nominiert, die ich mir nur vorstellen kann. Intelligente, inspirierende, gutaussehende junge Männer, die trotz etlicher Rückschläge und Herausforderungen in ihrem Leben eine ungebrochene Leidenschaft für den Herrn bewiesen haben. Ich weiß, sie werden der Gemeinde gut tun. Und treu an Gottes Reich arbeiten. Und für mich eröffnen sich jetzt wohl ganz neue Perspektiven und Möglichkeiten, die mir sonst verborgen geblieben wären – wenn sich der Nebel erstmal verzogen hat.
Natürlich bleibt mein Schmerz. Immer noch ist etwas in meinem Herzen zerbrochen. Die aktuelle Situation des Psalmisten hat sich ja auch nicht gleich geändert. Doch die Enttäuschung nimmt mich nicht vollständig ein. Sie steht nicht alleine. Sondern in Gottes Gegenwart steht ihr Liebe gegenüber. Liebe, die sich selbst verschenkt hat. Liebe, die am Kreuz ihr Leben für mich gegeben hat.
Die Gegenwart dieser Liebe macht harte Herzen weich. Verbindet unsere verwundenen Seelen. Versüßt unsere Bitterkeit. Lehrt uns Vertrauen, Weisheit, Weitsicht. Eröffnet uns perspektiven, führt uns über uns selbst hinaus.
Deshalb kann ich mit dem Psalmist sprechen: „Gott nahe zu sein ist mein Glück. Ich setze auf Gott, den Herrn, mein Vertrauen. Ich will alle seine Taten verkünden.“ Amen.